Die Ongelzeitung
Ongelzeitung
Flennersch Hannes, Vorsitzender der Ferndorfer Abteilung, gab vor dem
Kriege einige Jahre hindurch wöchentlich eine Ongelzeitung raus, in der
er über die wichtigsten Ereignisse der Grube berichtete. Im lokalen Teil
stand u. a. folgendes: Die Ferndorfer hätten zwar "wahne Duffeln" aber
die "Ongelduffel" in Buchen hätte mehr Fettgehalt. Die Ferndorfer
dagegen hätten kleine Duffeln und zwar aus folgenden Gründen: Als vor
100 Jahren Ernsdorf von Ferndorf abgemessen wurde, sei eine "furchtbare
schäppe" Grenze entstanden. Außerdem sei seit dieser Zeit der
Kemelsbrich etwas nach Ernsdorf herabgerutscht und habe die Felder arg
gedrückt. Daher die kleine Duffeln.Derartige Späße mochten nun soeben noch die Grenzen des Möglichen streifen. Das Hereinlegen einiger Kölner Herren brachte den Hollekuse Willäm aber auf die Anklagebank. Er hatte zusammen mit Stutte Hänner aus Dillnhütten die drei Kölner in Siegen im Fürst Moritz getroffen. Durch ihr absichtlich lautes Sprechen über den Absatz der Ongelgrube lenkten die beiden Siegerländer die Aufmerksamkeit der Gäste am Nebentisch auf sich. Es kam wie es kommen mußte. Die drei Kölner zahlten für drei Kuxe 150 bare Goldmark an, die restlichen 300 Mark sollten bei Aushändigung der Kuxscheine gezahlt werden. Lange genug wartete man in Köln auf die Kuxe des gut florierenden Siegerländer Berkwerkes. Zu guter Letzt gab es ein Stelldichein im siegener Schöffengericht. - Und was für eines! Hollekus Willäm marschierte mit einemgroßen aufgebot von Entlastungszeugen auf, die vorher alle auf Auszahlung der Zeugengebühren verzichtet hatten. Sie wollten doch keinesfalls die Ongelbank sprengen. In einem früheren Bericht heißt es: "Eine solche lustige, immer wieder von Lachsalven unterbrochene Verhandlung, hatte es im Siegener Gericht noch nie gegeben. Selbst Richter und Schöffen konnten die notwendige Amtswürde nicht wahren. Schließlich erklärten die Ankläger, sie seien das Opfer eines derben Witzes geworden und da sie als Kölner Sinn für Humor hätten, zögen sie ihre Anklage zurück." Sie haben dann zusammen mit Hollekuse Willäm und dessen Anhang im "Fürst Moritz" den friedlichen Ausgang des Kuxprozesses gehörig gefeiertund hinterher eine anständige Zeche beglichen. Vielen Hundert Zuhörern aber, die abwechselnd den Gerichtssaal hatten betreten dürfen, gab die Verhandlung noch lange Zeit heiteren Unterhaltungsstoff. Wie sehr die Bevölkerung an dem Prozess interessiert war, erhellt die Tatsache, daß am Verhandlungstag eine ganze Walzenstraße der Geisweider Eisenwerke stilllag. Als Direktor Weinlich den Obermeister fragte, warum der Betrieb an der Walzenstraße ruhe, erhielt er die Antwort: "Alles zum Fettermin nach siegen, Herr Direktor!" (Ongel bedeutet im oberen Siegerland "Eselt" - Talg).
Die Betriebsleitung der Geisweider Eisenwerke hatte sich übrigens öfters mit den Gewerken der Ongelgrube zu befassen, ohne diesen recht beikommen zu können. So erschien eines Morgens der Schriewer August von Obersetzen ein Viertelstunde zu spät. Unglücklicherweise lief er am Eingang Setzer Weg dem Direktor Nettelbusch in die Quere. Der fragte natürlich. Schlagfertig kam folgende Erwiderung. "Herr Direktor, ho die Moarje emme halwer vier wur us Galizien telephoniert, ech sell zwoa ahle Fraue va 80 Joahr en Bubikopp schniere. Doa sinn ech schwinn met minnmem Doppelhöpper drhin gehöppt, ha awwer on Redourweg ewwern Hasegarte e Kammrad verloarn. Deshalb die Verspätung!" Gegen solchen Einwand war nicht viel zu machen.
Der Schriewer August war nicht nur Leiter der Abteilung Setzen, sondern auch des Maschinenparkes und des Ingenieurbüros der Ongelgrube. Er selbst konstruierte die Höppmaschine, was für die Gewerkschaft eine gewaltige Senkung der Unkostenkontos bedeutete. Man unterschied einfache und Doppelhöpper. Mit dem ersteren konnte man in zwei Minuten nach Alchen und mit dem letzteren in einer halben Stunde nach Wien höppen.
Als die Setzener Schule plötzlich bemerkte, da´keine tinte mehr da war höppte der Schriewer August noch abends um 10 Uhr ans Schwarze Meer. Und am nächsten Morgen hatte der Lehrer einen ganzen Klonk voll Tinte auf dem Pult stehn.
Wie schon erwähnt, hat die Ongelgrube nicht nur auf maschinelle Neuerungen und Erfindungen ihr Augenmerk gerichtet, sondern vor allem auch auf ihr Tierkrezungsversuche. Manches Ergebnis dieser Krezungen ist in ganz hervorragender Weise in Bildern festgehalten und auf Ansichtspostkarten in alle Welt gegangen. Mit Tierparks und Zirkusunternehmen wurde eine heitere Korrespondenz geführt, vor allem wegen des Pötzpickers, der öfters nach wasserarmen Gegenden ausgeliehen wurde, um dort mit seinem mächtigen Schnabel Pötze (Pfützen/Brunnen) auszuheben. Sehr ansprechend wirkt auch der Sauhund, eine Krezung zwischen Schäferhund und Hausschwein. Das Köttelpaard wurde zur Zeit des Abessinien-Krieges in stärkerem Maße gezüchtet, da es sich als nahezu bombensicher, fliegenfrei und seuchenfrei erwies. Die letzte Sendung an den Negus ist aber bis heute nicht bezahlt. Ziemliche Schwierigkeiten bereiteten die Kreuzungsversuche der Onken (Ringelnattern), wobei "Ficks Jong"aus Klafeld erst im letzten Frühjahr so schwer gebissen wurde, daß er monatelang an den Folgen einer Blutvergiftung zu leiden hatte. Neuerdings macht die Eierziege von sich reden, die ein besonders wertvolles Exemplar in der Ongel-Tierzucht zu werden scheint. Die amüsanten Tiergeschichten der Ongelgrube erfordern eine Abhandlung für sich.
Verwalter der Tierzucht ist der Gewerke Ernst S. in Buchen. Er ist so begeistert bei der Sache, daß man ihn deshalb einmal sehr in Verlegenheit brachte. Eine Gewerkenversammlung im Lokal Münker in Kreuztal faßte den Entschluß, einige Roßäpfel von einem in Kreuztal lebenden hochwertigen Rassepferd fein säuberlich einzeln in Seidenpapier zu verpacken und mit Postpaket nach Buchen zu schicken. S. tat wie ihm geheißen wurde. Er grub die Roßäpfel einzeln in die Erde und ahnte nicht, daß er dabei beobachtet wurde. Nach etlichen Wochen hielt er in Gegenwart einiger Gewerke Nachschau. Da blieb ihm die Spucke weg. Dicht unter der Oberfläche fand er gleich auf dem ersten Stück Saatgut ein drei Zentimeter Pferdeköpfchen, das sein rotes Schnäuzchen dem Licht entgegenstreckte wie ein Keim aus der Kartoffel. Die Verwirrung beim verdutzten Ernst legte sich aber bald wieder.
Jedenfalls schneller als einige Zeit später beim Schürfen. Das war in den 30er Jahren. Es gab namhafte Prämien für das Auffinden von Erzlagerstätten. Der Invalide S., übrigens Mitglied des Aufsichtsrates der Ongelgrube, schürfte ununterbrochen, sehr zum Leidwesen seiner Buchener Mitbürger, denn er schonte weder Roggen- noch Kartoffelfeld. Er war gewahr geworden, daß früher einmal jemand ein gutes "Moltstecke" (Mutungsstück) in Buchens Gemarkung gefunden hatte, ganz abgesehen natürlich von der Ongelsgrow, aus deren Gesenke man schon manches überraschendes Produkt hervorgeholt hatte. Die Buchener überlegten hin und her, wie sie dem alten Glückssucher am besten beikommen könnten. Hollekuse Willäm erfuhr, als er seinem Betrieb einen Besuch abstattete, von ihren Nöten und wußte Rat. Am nächsten Abend vergrub er einige Erzklumpen die er sich von der "Neuen Hardt" und der "Viktoria" besorgt hatte, in ein Schürfloch, in welchem Ernst S. am folgenden Morgen weiterarbeitete. Und dann war es so weit! Mit einem kleinen Hammer schlug der fleißige Schürfer immer wieder an das Erz, daß es nur so "fonkelte". Am selben Morgen noch war er auf dem Amt in Kreuztal, anschließend beim Bergamt in Siegen. Überall freundliche Begrüßung und - Protokolle. Der Ernst hatte sein Glück gemacht. Er würde das schönste Haus in Buchen bauen, ein Schlößchen sollte es sein. Leider ist es beim Luftschloß geblieben.
Als weiteres Original der Ongelgrube muß besonders noch der "Röhren-Peter" erwähnt werden, der in der Klafelder Kasernenstraße Ofenrohre herstellte und als Grubenlochverwalter die fertigen Löcher aus Buchen bezog. Als die Grube "Flußberg" bei Eiserfeld ihren Betrieb einstellte, lies man sich diese günstige Gelegenheit nicht entgehen. Hollekuse Willäm fuhr hin und kaufte sämtliche hohlen Löcher auf, um sie in die Ongelgrube nachzuschieben. Schwikerts Hein, der bis zu seinem Tode bei einem Bombenangriff auf Siegen Generaldirektor der Ongelgrube war, drängte immer wieder auf den Kauf von fertigen Grubenlöchern, um seinem Betrieb dadurch große Kosten zu sparen. er suchte damals schon immer an besonders langen Löchern, um - heute kann man es ja sagen - den insgeheim geplanten Durchschlag nach Amerika leichter bewerkstelligen zu können. Leider fand man die dafür geeigneten Löcher nicht, sie waren alle voller Wasser.
Jedenfalls hat nun der Röhren-Peter durch den Bezug der fertigen Löchwer von der Ongelgrube für seine Ofenrohrherstellung manche Vorteile gehabt. Jedes Loch benutzte er mindestens sieben- bis achtmal. Er legte Blech herum und zog es dann immer wieder heraus. In diesem Sinne bot er auch seine Ofenrohre an; es seien einfache Löcher von der Ongelsgrow, um die er Blech gespannt habe.